Esst, was ihr wollt, meint Jakob Augstein

Eigentlich finde ich Jakob Augstein klasse. Gerne habe ich Gesprächsrunden im TV geschaut, wenn er dabei war, oder Interviews mit ihm angehört. Fast immer konnte ich seine Einstellungen voll und ganz teilen. Es ist wichtig, dass es hierzulande öffentliche Personen wie ihn gibt, die etwas „out-of-the-box“ denken und mit einer gewissen Weitsicht argumentieren. Doch dann sehe ich heute auf seiner Facebook-Seite das:

Esst was ihr wollt

Esst, was ihr wollt, propagiert er. Meint er das wirklich ernst? Dass auf dem Bild direkt die Wurst ins Auge sticht, ist wahrscheinlich Absicht und bewusst so gewählt. Bei Augstein muss es immer ein bischen provokant sein und das ist auch okay so.
Eventuell ist für ihn das Wohl der Tiere eh kein großes Thema und auch das bleibt ihm selbst überlassen.

Der Knackpunkt aber: Sein absolutes Lieblingsthema ist die soziale Gerechtigkeit. Und das ist in der Tat ein absolut wichtiges Thema. Sich hauptberuflich dafür stark zu machen und dann aber auf dem Facebook-Titelbild Billigfleisch zu propagieren, ist ein krasser Widerspruch in sich.

In Brasilien wurden und werden zahlreiche Kleinbauern und die arme Bevölkerung aus ihrem Lebensraum verdrängt, um Platz zu schaffen für riesige Soja-Plantagen, die wiederum benötigt werden um genug Futter für unseren exorbitanten Tierbestand zu erzeugen. Die Kleinbauern sind dann gezwungen ihren Besitz aufzugeben. Was hat das mit sozialer Gerechtigkeit zu tun?

In Argentinien mehren sich die Missbildungen bei Neugeborenen sowie verschiedene Krankheiten bei den Menschen, die in der Nähe von Sojafeldern leben müssen, auf denen kräftig Pestizide versprüht werden. Auch dieses Soja dient unter anderem der Futtermittelproduktion für unsere Tierbestände. Die Argentinier haben keine Chance, die Giftkeulen zu verhindern und ihre Kinder zu schützen. Was hat das mit sozialer Gerechtigkeit zu tun?

In Afrika geht der heimische Markt komplett kaputt, weil wir Hühnerfüße und andere Tierreste an der westafrikanischen Küste billig verscherbeln, um daran noch weiter zu verdienen. Die heimischen Bauern können mit den Billigpreisen nicht mithalten und müssen aufgeben. Auch hier stellt sich die Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Dass der Klimawandel, der auch zu einem großen Teil durch den Fleischkonsum vorangetrieben wird, als erstes die arme Bevölkerung treffen wird und auch bereits jetzt schon trifft, ist das nächste Thema. Oder das Problem der zunehmenden Wasserknappheit, welches ebenfalls durch die Fleischproduktion verschärft wird. Es ist ohnehin schlicht unmöglich, dass die gesamte Weltbevölkerung „isst, was sie will“, weil die Fleischproduktion zu viel Platz benötigt und zu viele Ressourcen verbraucht, sodass dann ein Teil der Bevölkerung  nahrungstechnisch ganz auf der Strecke bleibt.

Das Hinterfragen unseres Fleischkonsums ist elementar verknüpft mit Aspekten der sozialen Gerechtigkeit. Ich kann nicht verstehen, wieso ein linksdenkender Augstein dann noch sagt „Esst, was ihr wollt“. Vielleicht hört für ihn die soziale Gerechtigkeit an der Landesgrenze auf, aber bisher hatte ich da einen ganz anderen Eindruck. Es bleibt ein Rätsel. Da er es am 1. April gepostet hat, habe ich noch die leise Hoffnung auf einen Aprilscherz.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert